Was halten Sie von der Coronasituation bzw. von dem Umgang der Universität damit?
Natürlich hoffe ich, dass es bald wieder vorbei ist. Wir haben viele Informationen und Verhaltensregeln von der Uni bekommen. Es gibt auch die Möglichkeit sich wöchentlich testen zu lassen, woran ich natürlich teilnehmen, weil mir diese Sicherheit, für alle die mit mir zu tun haben, wichtig ist. Aber ganz ehrlich, mir fehlen die Menschen! Das ist halt die negative Begleiterscheinung. Sicherlich geht auch viel mit Homeoffice aber es ist klar anders. Die andere Variante ist mir lieber. Im Allgemeinen finde ich, dass die Uni sehr vorsichtig und nicht leichtsinnig reagiert hat.
Ist Ihnen der Umstieg aufs Homelearning denn leicht gefallen?
Es ist mir nicht schwer gefallen mich umzustellen, aber gewöhnt hab ich mich auch noch nicht. Die Präsenz in einem Hörsaal hat eine ganz andere Wirkung, da kommt auch etwas zurück. Wenn ich in den Computer hineinspreche für ein und halb Stunden ist das nicht einmal im Ansatz das Selbe. Ich gehe ja wirklich wahnsinnig gerne in den Hörsaal und unterrichte. Ohne diesen Part, etwas weitergeben zu können und in direkter Interaktion mit Studierenden zu treten, würde ich das nicht machen. Dies ist die treibende Kraft dahinter.
Warum haben Sie sich für eine universitäre Laufbahn entschieden?
Die Entscheidung kam eigentlich sehr langsam und fließend. Ich habe mit dem Studium begonnen nachdem ich mich gegen eine Lehre als Tischler entschieden hatte. Nichts desto trotz arbeite ich noch heute gerne mit Holz. Wie die Phase meiner Dissertation gewesen ist, waren alle Positionen besetzt. Es war schon geplant in Berlin fertig zu schreiben, aber es ergab sich zum Glück, dass eine halbe Vertragsassistentenstelle frei wurde. Für diese habe ich mich beworben und habe sie auch bekommen. Da war ich dann höchst motiviert, weil das war ja schon etwas besonderes damals. Der Vertrag wurde am Schluss auch noch einmal verlängert und nachdem ein Kollege von der Elektrochemie Uni wechselte, wurde seine Assistenzstelle frei, welche nach meiner Bewerbung an mich vergeben wurde. Geplant war ursprünglich nach Berkley an die Universität als Postdoktorand zu gehen. Bevor ich diesem Traum nachgehen konnte, wurde ich gebeten die VO Elektrochemie zu halten, welche ich mit großer Freuden übernahm. Aus heutiger Sicht war die Entscheidung gegen Berkley natürlich ein Fehler, aber das ist halt irreversible. So wie manche Dinge halt irreversible sind. Aber mit der Zeit wuchs meine Begeisterung für die Lehre immer weiter und ich stelle fest, dass sie bis zum heutigen Tag noch weiter wächst. Mir macht das wirklich ganz viel Freude und Spaß, hier etwas weitergeben zu können. Auch wenn der Altersunterschied immer größer wird, taugt mir das gemeinsame erörtern von Problemstellungen mit Student*innen sehr.
Wenn man als Student*in in einer VO sitzt und denk: “Um Gottes Willen!” dann ist etwas nicht ganz Richtig. Ich erinnere mich, dass ich damals in der PC1 VO
gesessen bin und mich gefragt habe, wie ich das nur alles jemals lernen soll. Die Inhalte wurden einfach nicht gut vermittelt. In den ersten Semestern wusste ich nicht genau was ich später einmal
machen werde, aber eines war klar, sicher niemals PC. Alles ist denkbar, nur das nicht. Diese Einstellung hat sich dann eine Weile gehalten, bis zum zweiten Studienabschnitt. Da gab es dann eine große Vielfalt an Lehrveranstltungen, die man sich aussuchen konnte, was heutzutage leider
nicht mehr angeboten wird. Wie das nun mal so ist, habe ich eine Kollegin um Rat gefragt, welche Vorlesung am besten wäre. Diese war ein Jahr vor mir und empfohl mir wärmsten die
Elektrochemievorlesung von Dr. Neckel. Diesem Ansatz bin ich nachgegangen und kam zu dem Schluss, dass er das wirklich sehr gut vermittelt. Es blieb kein Fragezeichen am Ende übrig. Jeder
Schritt, sei noch so kompliziert, konnte mitgemacht werden. Das hat mich sehr dazu motiviert, dies auch genau auf diese Art zu tun. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht daran gedacht
habe, einmal selber vorne stehen zu dürfen. Natürlich gab es auch negative Beispiele, die durch Ihren Frontalunterricht die Studierenden eher einschüchtern, als zum Mitarbeiten anregen. Dadurch
wird jede Interaktion vermieden und davon hat niemand etwas. Viel sinnvoller erscheint mir die herangehensweise von Humboldt “Gemeinsames erarbeiten eines Stoffgebietes”. Wenn man das als Aufgabe
sieht, dann denke ich, dass man das auch so vermitteln kann.
Welchen Wert haben die Naturwissenschaften in der Gesellschaft?
Wenn man vergleicht welchen Stellenwert die Naturwissenschaften in der Gesellschaft haben, dann ist der nicht sehr hoch im Vergleich z.B. zur USA. Bei uns hat es sich einfach noch nicht so herumgesprochen, wie wichtig sie sind. Es haben auch alle die vor uns in diesem Bereich tätig waren, versäumt mit anschaulichen Erklärungen zu vermitteln, warum diese essentiell für die Allgemeinheit sind. Würde man das schaffen, dann könnte man endlich eine Trendwende für den Stellenwert herbeiführen.
Was sollte sich an der Universität ändern?
Mich erfreut, dass der Stellenwert der Lehre zugenommen hat, auch wenn meiner Meinung nach noch viel Luft nach oben ist. Auch eine bessere apparative Unterstützung der Lehre wäre zu Gunsten von Studierenden und Lehrenden. Wie will man zeitgerechte Lehre vermitteln ohne zeitgerechte Ausstattung?
Was war Ihre Lieblings-Interaktion mit einem/einer Studierenden?
Ui das ist sicher die schwierigste Frage. Da fallen mir so viele ein. Also ich mag das total, wenn am Ende der Vorlesung Student*innen nach vorne kommen und spezifische Fragen stellen bzw. eine anderen Erklärung brauchen, weil ich es nicht gut rüberbringen konnte. Da kann man in Echtzeit noch etwas weiterbringen ohne Fragezeichen offen zu lassen, die erst wieder bei der Prüfung akut werden.
Eine Interaktion ist mir gut im Gedächnis geblieben und zwar haben ein Student und ich Spektren von der Reaktion von Zitronensäure betrachtet. Wir haben es versucht nach allen Gesichtspunkten aufzubröseln, aber sind auf keinen gemeinsamen grünen Zweig gelangt. Wenn man das Gefühl hat etwas nicht vermitteln zu können, dann ist das wirklich nicht schön. Als die Verzweiflung schon ziemlich groß war, holten wir uns einen Molekülbaukasten und schauten uns das 3D-Modell an. Der “Ah, das kann ja nur so schwingen” - Moment war schnell da. Über diesen Ausgang habe ich mich schon gefreut, wie ein König, muss ich zugeben.